Interview mit der früheren Vorsitzenden der Regionalgruppe Nürnberg
Elisabeth Wentzlaff

(Aus der IPPNW Zeitschrift „Forum“ vom Februar 2005)


Forum: Wann ist die Nürnburger Regionalgruppe entstanden?

Elisabeth Wentzlaff: Nach dem ersten medizinischen Kongress zur Verhinderung eines Atomkrieges im September 1981 in Hamburg hatten sich in Nürnberg erstmals Ärztinnen und Ärzte mit Krankenschwestern und Pflegern in der „Friedensinitiative Gesundheitswesen“ zusammengefunden. Ab Mitte der achtziger Jahre schloss sich die Gruppe offiziell der IPPNW an und setzte ihre Arbeit unter dem Namen „IPPNW Regionalgruppe Nürnberg“ fort. Seit Sommer 2000 trägt die Gruppe nun den neuen Namen „Ärzte für Frieden und soziale Verantwortung / Regionalgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen der IPPNW“.

Forum: Wie viele Mitglieder sind zur Zeit in der Regionalgruppe aktiv?

Elisabeth Wentzlaff: Von den ca. 30 Mitgliedern der Regionalgruppe sind ca. 15 aktiv, das heißt, sie treffen sich einmal im Monat und arbeiten an den Projekten der Gruppe mit.

Forum: Was waren die Schwerpunkte Ihrer Arbeit im letzten Jahr?

Elisabeth Wentzlaff: Nachdem im Jahr 2003 der Schwerpunkt unserer Arbeit auf vielfachen Aktionen im Rahmen der Nürnberger Friedensbewegung gegen den Irak-Krieg gelegen hatte, haben wir uns 2004 zunächst eine Phase der internen Diskussion und Meinungsbildung verordnet. Besonders spannend waren dabei eigene Beiträge aus dem beruflichen oder privaten Hintergrund der Mitglieder, wie z.B. ein Bericht über die Verweigerung von Militärsteuern oder ein Vortrag über die Regression von Völkern als Folge historischer Traumata und als Ursache ethnischer Konflikte. Die aufklärende Öffentlichkeitsarbeit ist auch weiter Schwerpunkt unserer Arbeit. So führte die Regionalgruppe z.B. eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Ärzte als Abschiebehelfer“ durch. Außerdem haben wir anlässlich mehrerer Aufmärsche von Neonazis in Nürnberg ein breites Bündnis von Organisationen und Initiativen gegen Naziaufmärsche ins Leben gerufen. Meine Aufgabe war es, die Gründungsveranstaltung zu moderieren, was angesichts der vielen verschiedenen beteiligten Gruppierungen ein spannendes Unterfangen war.

Forum: Die Regionalgruppe Nürnberg hat die letzten beiden erfolgreichen Kongresse „Medizin und Gewissen“ veranstaltet. Gibt es Planungen für einen Nachfolgekongress und wie sehen die aus?

Elisabeth Wentzlaff: Der nächste Kongress „Medizin und Gewissen“ ist für 2007 geplant. Um mehr Kräfte in die aufwändige Vorbereitung einbinden zu können, haben wir uns für eine deutschlandweite dezentrale Organisation entschieden. Es wird damit also kein „Kongress der Nürnberger IPPNW-Regionalgruppe“ sein, aber er wird in der Tradition der vorangegangenen Kongresse im Nürnberger Raum fortgeführt. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, weil alle sehr stolz auf die beiden vorangegangenen Kongresse sind; kräftemäßig war es aber sicher vernünftig. Themenschwerpunkt des kommenden Kongresses wird die Verteilungsgerechtigkeit auf globaler und gesundheitspolitischer Ebene sein.

Forum: Was plant die Regionalgruppe an Aktivitäten im Jahr 2005?

Elisabeth Wentzlaff: Wir beginnen die gruppeninterne Diskussion über die unterschiedlichen Gesundheitssysteme in Europa mit monatlichen Beiträgen über einzelne Länder. Anlässlich des 60. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und zu den „Non-Proliferation-Treaty“ – Verhandlungen im Mai planen wir Aktionen auf Nürnberger Ebene.

Das Gespräch führte Angelika Wilmen

 

Interview mit Dr. Elisabeth Wentzlaff vom 15.10.2005

Elisabeth Wentzlaff weiß genau, warum sie das alles tut: Vorträge halten, Projekte vorbereiten oder an den monatlichen Treffen teilnehmen. »Wenn sich die gesellschaftliche und politische Situation irgendwann verschlechtert«, sagt die Vorsitzende der Regionalgruppe, »und mich meine Kinder fragen: ,Was hast du getan' - dann möchte ich ihnen antworten können.« Deshalb macht sie seit 1999 aktiv bei der Nürnberger Gruppe mit, seit 2002 ist sie ihre Vorsitzende. Passives Mitglied war sie schon viel länger, erzählt sie.

Aber vor sechs Jahren, während des NATO-Einsatzes im Kosovo, wollte sie sich noch mehr einbringen. »Ich war sehr beunruhigt, dass Deutschland wieder einen Angriffskrieg geführt hat«, sagt sie. Der Irakkrieg aber fand ohne deutsche Beteiligung statt, sagt sie. Und ist ein bisschen stolz darauf. »Ich glaube schon, dass wir die Politiker in ihrem Widerstand gegen den Einsatz gestützt haben.« Denn die IPPNW hatte Anfang 2003 immer wieder zu Demos gegen einen Einmarsch im Irak aufgerufen. Beim Ostermarsch 2003 hatte Wentzlaff vor der Lorenzkirche selbst gesprochen. Sie ist überzeugt davon, dass sich die Arbeit lohnt. Die Umbenennung der Flurstraße in Prof.-Ernst-Nathan-Straße hat die IPPNW durchgesetzt - zum Gedenken an den jüdischen Chefarzt, der von 1923 bis 1933 die Hautklinik des damaligen städtischen Krankenhauses leitete. Auf Drängen der Nationalsozialisten wurde er 1933 aus dem Amt entlassen.

Auch Veranstaltungen wie die »Medizin und Gewissen«-Kongresse stießen auf großes Interesse. »Je mehr wir an die Öffentlichkeit gehen, desto größer wird auch der Einfluss auf die Politik.« Mit »wir« meint die 46-Jährige, die am Nordklinikum arbeitet, ihre Mitstreiter. 30 Mitglieder zählt die Regionalgruppe, etwa 15 davon beteiligen sich aktiv an den Projekten.

Gerade jetzt, wo Atomkraft eine Renaissance erfahre, sei es wichtig, über die Gefahren aufzuklären. In Deutschland werde ebenfalls über eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken nachgedacht. »Wir unterscheiden nicht zwischen ziviler und militärischer Nutzung - Atomkraft ist immer gefährlich, vor allem in Zeiten des internationalen Terrorismus.« Weil auch Ärzte bei einer Atomkatastrophe nur noch wenig bis gar nicht mehr helfen können, werden die IPPNW-Mitglieder vorher tätig. »Damit so etwas erst gar nicht eintritt.«

Sharon Chaffin, Nürnberger Nachrichten

 

 
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